RELEASE 05 2004 – 2024

Daniel Bisig – Waaorst

2004 – 2024

Für das Jahr 2024 sind mehrere Veröffentlichungen geplant. Unter der Prämisse, den nostalgischen Blick nach hinten zu wagen, wird der heutige Standpunkt zu dem jeweiligen Werk – in Form des Erinnerns – persönlich durch die Urheber und Interpreten reflektiert.

Die Idee entstand beim Durchstöbern alter Festplatten: Auffällig war, wie viele musikalische Arbeiten der vergangenen Jahre liegen geblieben sind. Die Gründe hierfür sind sicher mannigfaltig. So war man beispielsweise nicht zufrieden mit der Arbeit, die gewünschten Labels hatten ihren Katalog bereits geplant oder das Projekt zerrüttete sich, aufgrund der sich immer wieder verändernden Lebensrealitäten beteiligter Akteure.

Es geht darum, in den Zwischenräumen zu suchen und dem ein oder anderen Werk den Weg aus dem Archiv in die Öffentlichkeit zu ebnen. Und darüber hinaus die nach Vorne orientierten und auf Effizienz getakteten Produktionsbedingungen in Frage zu stellen.

2007 Way Back Machine: http://www.anti-matter-plant.org/

Release 05

Das Stück “Waaorst” besteht aus Feldaufnahmen, die während des Jahreswechsels 1999/2000 auf einer Zugreise durch die damals von Schwerindustrie geprägte Grenzregion zwischen Tschechien, Polen und der Slowakei entstanden sind. Eine kleine Auswahl dieser Aufnahmen wurde bereits in stark verfremdeter Form für den Experimentalfilm “Ostrawa” verwendet.

Die Komposition von “Waaorst” bot die Gelegenheit, sich mit diesem Klangmaterial neu zu beschäftigen. Dank der grossen zeitlichen Distanz von mehr als 20 Jahren spielen bei dieser Beschäftigung die Erinnerungen an die Reise selbst eine untergeordnete Rolle. Stattdessen treten die klanglichen Eigenschaften der Aufnahmen verstärkt in den Fokus der musikalischen Aufmerksamkeit. Diese veränderte Perspektive wurde als Ausgangspunkt genommen, um die Reise in einer neuen Form zu erleben.

Die neue Reise findet nicht entlang der Routen eines Bahnnetzes statt, sondern zwischen den räumlich dargestellten klanglichen Eigenschaften der Aufnahmen. Damit erzeugt die neue Reise eine veränderte zeitliche Abfolge der Aufnahmen, die nicht durch die geographische Distanz der Aufnahmeorte diktiert werden, sondern durch die klanglichen Distanzen zwischen den Aufnahmen.

Die Komposition verwendet hierzu ein einfaches generatives Verfahren, das wie folgt abläuft: Die ursprünglichen Aufnahmen werden in Ausschnitte von 5 Sekunden Länge zerlegt. Die klanglichen Eigenschaften der Ausschnitte werden anhand ihrer Lautstärke und ihres spektralen Verlaufs bestimmt. Die Ausschnitte werden aufgrund dieser Eigenschaften sortiert. Zu Beginn wird der erste Ausschnitt der ersten Tonaufnahme der ursprünglichen Reise der Komposition hinzugefügt. Ab dann wird in einem iterativen Verfahren derjenige Ausschnitt gesucht, welcher zum momentanen Ende der Komposition am ähnlichsten ist. Der solchermassen gefundene Ausschnitt wird an die Komposition angehängt und anschliessend aus der Liste der für die Suche weiterhin zur Verfügung stehenden Ausschnitte entfernt. Diese Schritte werden so häufig wiederholt, bis alle Ausschnitte aufgebraucht sind und die Komposition damit endet.

Der Titel der Komposition bedient sich ebenfalls eines generativen Verfahrens. “Waaorst” ist ein Anagram von “Ostrawa”, dem Namen einer Kleinstadt im Osten Tschechiens sowie des ursprünglichen Experimentalfilms. Das Anagramm entstand durch die Sortierung der Buchstaben aufgrund ihrer klanglichen Ähnlichkeit.

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RELEASE 05 2004 – 2024

Daniel Bisig – Waaorst

RELEASE 04 2004 – 2024

Ralf Freudenberger, Uwe G. Hoenig, Ephraim Wegner – Excerpts

RELEASE 03 2004 – 2024

Christian Dierstein, Harald Kimmig – Crossing